KEYBOARDS 4.2019 81
78 KEYBOARDS 4.2019
POND werden gerne als »Tangerine Dream aus Ost-
Berlin« bezeichnet. Mastermind Paule Fuchs hat damit
kein Problem. Der Vergleich hinkt jedoch ein wenig: Zwar
zählen beide Bands in ihrem jeweiligen Wirkungskreis zu
den ersten populären Nutzern elektronischer
Instrumente, und beide sind noch immer aktiv. Allerdings
startete Paule zunächst als Drummer und Pond als
waschechte Prog-Rock-Band. Erst später vollzog sich
der Wandel zu rein elektronisch produzierten Sounds.
Darüber hinaus bestand für Pond zumindest bis 1989 die
Notwendigkeit, sich mit gewissen Gegebenheiten
anzufreunden, die ein Künstlerleben in der DDR
zwangsläufig mit sich brachte.
- Die »Wende« erforderte schließlich einen künstle
rischen und konzeptionellen Neustart mit viel Impro-
visationstalent. Glücklicherweise hat Pond alle Hürden
und Systemwechsel (die großen und die kleinen)
überstanden und seinen Vierzigsten mit einer Reihe
hoch interessanter Konzerte gefeiert. Als Locations
wählte Paule Fuchs u. a. die Kulturkirche in Stralsund,
das Ernst Barlach Theater in Güstrow sowie das Zeiss-
Planetarium Berlin Prenzlauer Berg. Letzteres zählt
weltweit zu den größten und modernsten Einrichtungen
seiner Art – ein wahrhaft passender Ort, um Ponds
»Kosmonautenmusik« akustisch und visuell adäquat zu
präsentieren. Im Anschluss trafen wir Paule Fuchs, um
mit ihm über das Gesamtkunstwerk Pond zu plaudern.
Pond werden gerne als »Tangerine Dream aus Ost-
Berlin« bezeichnet …
- Das ist vollkommen ok für mich – als großer Fan fühle
mich dadurch sogar geehrt. Der Bezug ist ja wirklich
vorhanden, wenn auch nicht so vordergründig wie
manchmal dargestellt. Ich bewundere T.D. und hatte
2007 sogar Gelegenheit, mit Edgar Froese zusammen
zu spielen. Unser drittes Album Maschinenmensch haben
wir 1990 teilweise bei Chris Franke aufgenommen.
Man sagt, der Kunst- und Musikbetrieb in der DDR
unterlag einer strengen staatlichen Kontrolle.
Text: Matthias Fuchs Fotos: Pond
KEYBOARDS 4.2019 79
Wie seid ihr mit einer solchen Bevormundung
umgegangen?
- Man kam an diesen Dingen nicht vorbei und musste
damit leben. Wirklich problematisch konnte die Sache
erst dann werden, wenn man mit Texten ge arbeitet
hatte. Da musste man sich einiges einfallen lassen, um
eine möglicherweise kritische Message passend zu
verpacken. Bei Pond war das unproble matisch, denn es
gab ja keine Texte. Somit habe ich mich auch nicht
wirklich künstlerisch eingeschränkt gefühlt.
- Wesentlich nerviger war die Tatsache, dass man dem
Staat sein »Können« unter Beweis stellen musste, um
die Möglichkeit zu erhalten, professionell Musik zu
machen. Dazu musste jeder angehende Profi ein Musik-
studium absolvieren. Im Nachhinein konnte ich dieses
Wissen jedoch sehr gut nutzen.
Hatte man den Status eines Berufsmusikers er-
reicht, wurde man unterstützt?
- Eigentlich nur, wenn auch Erfolge zu verzeichnen
waren. Also dann, wenn die Musik beim Publikum gut
ankam. Man bekam dann die Möglichkeit, eine Reihe
von eigenen Titeln im Studio des Rundfunks zu
40 Jahre Pond
Zum vierzigjährigen
Bestehen von Pond
erschien im vergangen-
en Jahr eine CD/DVD
mit den Konzert-High-
lights der gesamten
Pond-Geschichte.
Parallel erschien das
äußerst unterhalt -
same
Pond-Buch
mit
zahllosen Infos und
Anekdoten des »staatlich geprüften Rockmusikers«
Wolfgang »Paule« Fuchs. Nicht nur für Pond-Fans ein
echtes Muss!
80 KEYBOARDS 4.2019
produzieren. Unsere beiden ersten Alben produzierten
wir somit im Studio 4 des legendären Berliner
Funkhauses. Dabei entstand 1982 auch unser bislang
größter Hit Planetenwind.
Hättest du andere Musik gemacht, wenn du in West-
berlin zu Hause gewesen wärst?
- Gute Frage … Vielleicht hätte ich ja etwas vollkommen
anderes gemacht …? Nein, ich glaube, meine Musik
wäre mehr oder weniger dieselbe gewesen. Neben
Drums und Prog-Rock waren Keyboards und Elektronik
einfach mein Ding. Als ich Tangerine Dream im Radio
gehört habe und das berühmte Foto von Klaus Schulze
sah – wie er zwischen seinen Synthies auf dem
Fußboden sitzt –, war ich infiziert und hatte als größten
Wunsch, so etwas auch zu machen. Das hätte im
Westen sicher auch nicht viel anders passieren können.
Bekanntermaßen konnte man elektronische In-
strumente in der DDR nicht so einfach kaufen. Wie
bist du an dein Equipment gekommen?
- Stimmt
– kaufen konnte man manchmal Akkor deons.
Schon bei Gitarrensaiten wurde es schwierig. (lacht) Man
musste Beziehungen aufbauen und nutzen. Also Leute
finden, die einem das Zeug aus dem Westen
mitbrachten. Hatte man diese Hürde genommen,
mussten die Instrumente finanziert werden. Auf den
Westpreis musste man das Vier- bis Achtfache
draufrechnen. Das hieß auftreten, auftreten, auftreten,
sparen, sparen, sparen, Geld leihen, Kredite usw.
Glücklicherweise waren die Lebenshaltungskosten da-
mals nicht so hoch.
Hattet ihr den westlichen Synth-Markt auf dem
Schirm?
- Auf jeden Fall. Ich habe so oft wie möglich das
Fachblatt-Magazin gelesen – vor allem die Klein
anzeigen. Wir wussten schon, was es gab. Wir kamen
nur sehr selten dran.
Welcher war dein erster Synth?
- Ein Roland SH-2000. Danach kam ein ARP Odyssey,
noch heute mein Lieblingssynth. Weiter ging es mit
Roland Promars, einem System 104 Sequencer, und
sogar einen VP-330 Vocoder konnte ich finden. Der
Promars samt Sequencer war dann oft der BassSynth,
auf dem Odyssey habe ich die Melodien gespielt. Drums
habe ich mit den MFB-»Keksdosen« (frühe MFB-Geräte
mit Dosen-ähnlichem Plastikgehäuse; Anm.d.Red.)
gemacht.
Hast du diese Synths gezielt aussuchen können?
- Nee, das waren zunächst alles Zufallstreffer. Man
nahm, was man bekommen und halbwegs bezahlen
konnte. Mein Polymoog gehörte zuerst Tangerine Dream.
Die hatten ihn bei ihrem legendären Gig im Palast der
Republik dabei. Über einige Umwege ist er etwas später
in meinen Besitz übergegangen. Der klang toll, war aber
sehr anfällig und schwer. Deshalb musste er leider
irgendwann gegen einen Korg Poly-61 ausgetauscht
werden. Das ständige Touren hat einen gewissen
Pragmatismus erfordert.
In der DDR gab es Vermona, und auch in der UdSSR
wurden Synths gebaut. Wären die nicht die erste
Wahl gewesen?
- Dass Vermona einen Synthesizer gebaut hatte, habe
ich erst lange nach der Wende mitbekommen. Und von
den russischen Teilen hatte ich auch nichts auf dem
Schirm. Insofern war das keine Alternative. Zudem war
es viel cooler, »West-Instrumente« zu verwenden.
Dagegen konnte kein Vermona anstinken – auch wenn
der eigentlich sehr gut klang …
Eine Pond-Liveshow …
versteht sich schon seit den frühen Tagen der Band als
audiovisuelles Gesamtkonzept. Standen bei der
Realisation zunächst Einfallsreichtum und
Improvisationstalent im Vordergrund, nutzt die Band
heute soweit möglich die Showtechnik des jeweiligen
Aufführungsortes – wie etwa im Planetarium Berlin
Prenzlauer Berg.
0
1
– 04 Impressionen einer Pond-Show
Du
warst
zwangsläufig
in
der
Auswahl
deiner
Pro
duktionsmittel
eingeschränkt.
Heute
steht
dir
fast
alles
zur
Verfügung. Ist das ein Vorteil?
- Es ist natürlich schon toll, wenn man sich seine Instrumente fast nach Lust und Laune aussuchen kann. Aber
letztlich beschränkt man sich doch auf eine bestimmte Auswahl und arbeitet damit intensiv. Heute sind das im
Wesentlichen meine vier Roland MIDIExpander (2x XV-3080, XV-2080, Integra-7; Anm.d. Red.). Damit habe ich eine
Unzahl von sehr guten Sounds zur Verfügung. Gibt es zu viele Auswahlmöglichkeiten, verzettelt man sich.
Außerdem bestünde dann die Gefahr, die Stücke zu selbstverliebt zu gestalten. Hier noch ein Sound mehr und da
noch einer … Und das will dann keiner hören.
Deine vier Pond-Geburtstagskonzerte fanden allesamt an interessanten Orten statt. Wie kommst du
an solche Locations?
- Wir hatten schon immer einen Draht zu außergewöhnlichen Auftrittsorten. Wir haben in einem Stahlwerk gespielt
und auch einmal unter Tage in einem Besucherbergwerk im Erzgebirge. Das hatte eine geile Atmosphäre, war aber
eine ziemlich feuchte Angelegenheit. Wir hatten echt Angst um das Equipment … In Planetarien hatten wir schon
mehrfach gespielt. Da lag es nahe, auch dort wieder aufzutreten.
Eure Lightshow ist seit Langem etwas Besonderes …
- Ich fand das immer sehr wichtig, eine solche Musik auch optisch passend zu inszenieren. Wir hatten uns dazu
seinerzeit etwa 300 Dias von einem Fotografen aus Halle anfertigen lassen. Die konnten wir mit drei Projektoren
überblenden. Und wir hatten einen Laser! Ich habe das Teil etwa 1980 gegen ein Commodore Floppy-Laufwerk
getauscht. (lacht) Wir hatten uns dazu auf einem Brett eine Anordnung aus Zahnarztspiegeln und Glasscheiben
gebaut und konnten so einige Muster erzeugen. Im Saal musste es dazu stockdunkel sein, sonst hätte man den
Laser nicht gesehen. Heute hat jeder Taschenlaser mehr Power, aber damals war das ein Knaller! Heute nutzen wir,
zumindest bei den Gigs in den Planetarien, möglichst viel von der dort installierten Showtechnik.
Welche Pläne hast du für die kommenden 40 Jahre? Als Nächstes erscheint die DVD Die Pond-Story mit
altem Bild- und Tonmaterial. Dazu erscheinen alle Pond-Alben im Schuber als Der Pond-Cube. Danach sehen wir
weiter …
w
w
w
.
p
o
n
d
.
d
e
Einige Klassiker sind auch heute noch live in Gebrauch.
Aktuell sorgen hauptsächlich mehrere Roland MIDI-
Expander für den Pond-Sound. Software-Synths nutzt
Paule bisher nicht.
KOSMONAUTEN
MUSIK
Auch in der ehemaligen DDR produzierte man elektronische Musik. Als Stars der
zugegebenermaßen überschaubaren Szene gelten Pond, das musikalische Baby des
Berliners Paule Fuchs. Im Frühjahr 2018 feierten Pond mit einer Reihe spektakulärer
Konzerte den 40. Geburtstag.
PRESSE